1
Paradise
(Ute Woltron)2
Ears and Tears
(Armin Thurnher)3
Die Schmuckobjekte
(Wilfried Skreiner)4
Weg, Schild, Magnet
(Gerti Draxler)5
Techno Caverne, bewimpertes Organ
(Elisabeth von Samsonow)6
Leuchtend hintergründig
(Claudia Lehner-Jobst)7
Landschaft und Garten
(Wolfgang Kos)8
Luftig + Horizont
(Clarissa Stadler)
Paradise
“Das ewige Rätsel”
Kunst, so könnte man sagen, ist stets ein Akt der Transformation, der Versuch einer Erklärung, das subjektive Abbild eines Teils der Welt – wenn nicht des Lebens als solchem. Anna Heindl hat sich als Künstlerin über viele Jahre hinweg eine ganz eigenwillige Interpretationsschiene erarbeitet – im feinen, kleinen, subtilen Kosmos der Schmuck-Kunst.
Ihre jüngsten Arbeiten in diesem Zusammenhang als „Kollektion“ zu bezeichnen, wäre eine flache Vereinfachung und Untertreibung Denn die nun vorliegenden Schmuckarbeiten sind zwar neu, sie entspringen also gewissermaßen dem „Heute“ – tatsächlich aber spannen sie einen wohldurchdachten Bogen zwischen Zeiten und Welten. Wer sie nicht nur schön finden, sondern auch verstehen will, muss sich Zeit nehmen, muss ihre Ursprünge erkunden und wird plötzlich selbst vor uralten, ewig gleichen Fragen stehen, die jeder nur für sich beantworten kann.
Der Ausgangspunkt dieser üppigen, sich jeder Mode entziehenden Schmuckwelt ist eines der rätselhaftesten Gemälde der Kunstgeschichte. Ein Bild, das selbst nie eingeordnet werden konnte, das sich stets jeder Mode entzog, das eigenwilliger Solitär blieb: Das Tafelbild „Der Garten der Lüste“ wurde um 1500 vom Niederländer Hieronymus Bosch gemalt und hat im Laufe der Jahrhunderte mehr Fragen als Antworten aufgeworfen. Sie sei, sagt Anna Heindl, zufälligerweise darauf gestoßen und habe sich selbst dabei ertappt, wie sie immer tiefer in die geheimnisvolle und kaum entschlüsselte Formen – und Symbolsprache dieses Bildes eintauchte. Und tatsächich wird jedem Betrachter sofort klar, dass der „Garten der Lüste“ wie eine gemalte Abhandlung zu verstehen sein muss, wie eine groß angelegte Erzählung, dass das Bild also eine präzise Botschaft übermittelt. Doch über den Code, über den Schlüssel zum Verständnis verfügen wir nicht mehr, und das macht dieses Gemälde in unserer heutigen Zeit des Rationalen, in der jedes Detail der Welt nach Sinn und Ordnung erforscht wird, umso reizvoller.
Sie habe erst einmal versucht herauszufinden, so die Künstlerin, was es denn sei, das sie an diesem Bosch-Gemälde so fasziniere, und sei dabei jedoch stets auf weitere Geheimnisse gestoßen. Erst eine umfassende Recherche mithilfe der Kunst-historikerin Lena Posch brachte verschiedene Zusammenhänge zutage, die ein etwas deutlicheres zumindest interpretierbares Bild zeichneten.
Als Auftraggeber des Werkes kommen zwei Personen in Frage: Graf Hendrik von Nassau-Breda oder aber Hieronymus Boschs Freund und Lehrmeister Jakob van Almengien. Die historischen Quellen geben darüber nur unzureichend Auskunft und die wissenschaftlichen Interpretationen wider-sprechen einander. Fest steht aber, dass den Maler mit dem jüdischen Alchemisten Kakob van Almengien letztlich mehr verband, als bloße Freundschaft, denn beide gehörten einer geheimen Bruderschaft an, die sich die „Neuen Adamiten“ nannte.
Die Adamiten sind seit dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert überliefert, sie bildeten im Laufe der Jahrhunderte diverse Gruppierungen, und eine davon hieß zu Hieronymus Boschs Zeit die „Brüder und Schwestern des freien Geistes“, die auch unter den Namen „Illuminati“ oder „homines intelligentiae“ bekannt sind.
In seiner Publikation „Die Sprche des Symbols“ interpretiert Martin Grotjahn den „Garten der Lüste“ als Darstellung des Weges der Adamiten „zur Höhe“: „In ihren Kirchen, die sie als Paradies bezeichneten, hielten sie Gottesdienste ab und übten erotisch-mystische Rituale aus, überzeugt, dass sie im Augenblick eines wahren, heiligen Liebeserlebens ihrem Gott am nächsten kämen. Sie glaubten nicht, dass Liebeslust eine Erbsünde sei und gegen den Willen Gottes verstoße, sahen vielmehr die Erbsünde in einer missverstandenen Sexualität und wollten diese zu einem Liebeserlebnis umwandeln, bei dem der Mensch sich aufs Innigste mi Gott verbunden fühlt. In Harmonie mit der Natur, ohne Verdammung des Natürlichen, sollte Liebe und Lust erlebt werden.“
Wenn man also, so Grotjahn, das Gemälde von rechts unten nach links beginnend und in die Höhe steigend systematisch „lese“, so könne man es als Kryptogramm erkennen. Und dieses Kryptogramm erzählt nichts anderes als den Weg des Individuums zur Erkenntnis, dass das Paradies auf Erden nicht verloren sei. Es erzählt, so Grotjahn, „die Geschichte der Neuen Adamiten, der Brüder und Schwestern des freien Geistes, die den Weg aus der Sünde zur Seligkeit gehen; durch die Liebe auf Erden zur Liebe zu Gott, der uns, unser Geschlecht und diese Welt geschaffen hat.“
Intellektuelles, so Anna Heindl, sei lediglich die Erklärung des Schöpferischen: „Denn das, was ich verstehe, ist letztlich nicht mehr das, was ch suche.“ Sie begann also die mittelalterlichen Symbolik Hieronymus Bosch für sich zu interpretieren und in Gold, Silber, Korallen, Perlen und Steinen zeitgenössisch Form annehmen zu lassen. Jedes Schmuckstück hat seinen Widerpart in einem Detail des Bildes und ist dennoch ein Werk für sich.
In Weiß-, Gelb- und Rotgold, in Amethysten, Turmalinen, Granaten und anderen intensivfärbigen Steinen entstand so ein eigenwilliger Schmuck-Kosmos, der von allem bereits Dagewesenem völlig gelöst scheint, der aber doch mit dem Realen und dem Mystischen verankert ist.
Das Anlitz des Menschen, so berichtet die Kabala, wer einst Spiegelbild Gottes. Doch es zerschellte und fiel in unzähligen Splittern vom Himmerl herab auf die Erde. Was blieb, ist die Sehnsucht, dieses Bild wieder ganz zu sehen, und jeder andere ist, wie man selbst, Teil des Bildes Und Früchte, Samen, Ranken – sie alle verdeutlichen das, was man den ewigen Kreislauf des Lebens nennen mag, denn in der Frucht steckt das Vergängliche und das Ewige zugleich. Die Frucht vergeht, aus dem Samen wächst das Neue, der Kreis dreht sich weiter, alles ist Anfang und Ende zugleich.
– Von Ute Woltron –
Würden Sie sich das Ohr von Ray Charles anhängen? Genau das könnte Ihnen passieren, wenn Sie sich mit einer Brosche aus Anna Heindls neuer Serie „Ears and Tears“ schmücken. Die Formen des einen Teils dieser Reihe sind nämlich von Ohren abstrahiert, von realen, prominenten und unbekannten Ohren. Das von Ry Charles ist zufällig auch dabei. Sie erkennen es am fleischigen Ohransatz und an der kleinen Warze beim Höcker, die durch einen Stein angedeutet wird. Den Ausschlag für die Auswahl des Ohrs gab aber keineswegs die Prominenz des Trägers, sondern die interessante Form der Ohrmuschel.
Form allein genügt Anna Heindl niemals. Das Ohr steht dafür, daß man heute einfach mehr Informationen braucht als je zuvor, um sich bei all den politischen, sozialen und wirtschaftliche Umbrüchen zurechtzufinden. „Man ist gezwungen zu wissen“, sagt die Künstlerin. Andererseits stehe die Form des Ohres in ihrer Zerklüftung und klaffenden Offeheit in schroffem Gegensatz zur in sich abgeschlossenen, gerundeten Form der Träne. Wobei die Träne das Leid signalisiert, welches die in Bewegung geratene Welt über die Bewegten bringt, auch und gerade infolge jener Entwicklungen, „die man ja begrüßt hat“. Mit der kugelförmigen Träne wird schließlich auch an den Globus erinnert. Die Welt, ein Tropfen. Anna Heindl empfindet diese Welt jetzt einfach intensiver als früher, auch die entfernten Teile scheinen ihr näher zusammengerückt. Handelt es sich bei „Ears and Tears“ gar um politische Schmuckkunst? Natürlich nicht. Nur klingen die Zusammenhänge, derart gerafft, etwas aufgesetzt. Anna Heindl bemerkt das sofort. Von sich aus würde sie niemals solche Erklärungen abgeben (das kommt davon, wenn man Journalisten bei sich einläßt). „Man kann es sehen, aber man muß nicht“, sagt sie. Es sei ihr aber unmöglich, das gibt sie zu, ausschließlich formal zu arbeiten. Ständig müsse sie sich fragen, warum sie etwas tue. Allein schon, um die Einfälle, die ihr während eines einzigen Tages kommen, in eine Ordnung zu bringen, braucht sie – und sei es nur für sich selber – eine Erklärung. Die welterklärende Komponente aus Anna Heindls Stücken wird freilich durch die Tatsache gemildert, daß es sich nicht um Stickers – „die lehne ich ab“ – sondern um Schmuckstücke handelt. Tragbar müssen sie sein, „auch wenn die Leute, die das Schmuckstück tragen, vielleicht dabei etwas ganz anderes empfinden, als ich mir gedacht habe“. Ob jemand zum Ohrring „Atomium“, das berühmte Wahrzeichen der Brüsseler Weltausstellung von 1958 assoziiert oder nur einen Kristall miteinander verbundener Tränentropfen, spielt tatsächlich keine Rolle. Flüssiges, Fließendes, die Kugel, der Tropfen, rund und in sich abgeschlossen. Als Gegenüber das Gefäß, das Ohr, eckig, unvollendet, in sich gezackt, nicht abgeschlossen. Wir und die Welt, könnte man auch sagen. Solche kosmischen Gegensätze bringt Anna Heindl auf kleinstem Raum zum Ausdruck. Gegensatzpaare ziehen sich von Anfang an durch ihr Werk. In „Rahmen und Ornament“ (1989) deutete sich die jetzt eingetretene welthistorische Auflösung bereits ebenso an wie die Notwendigkeit, für das Aufgelöste einen neuen Rahmen zu finden. Anklänge an die Jahrhundertwende, mit der nicht zuletzt von Loos ausgegebenen Parole „Ornament als Verbrechen“ waren durchaus beabsichtig. Zwei Jahre zuvor – solange reifen die Werkzyklen Heindls im Durchschnitt – hatte eine andere Ausstellung zwar noch keinen Titel getragen, sie war aber unter dem impliziten Motto „Köpfe und Körper“ gestanden. Die Köpfe als Tribut an jene intellektuell – politisierende „Kopfzeit“, die Körper als Ausdruck der folgenden Hinwendung zum Körperbewußtsein, der Abwendung von Politik, der Hinwendung zu Therapie, Introspektion, Gefühl. Wenn sie diese Phasen kurz zusammenfaßt, muß sie über solche knappen Deutungen selber lachen, aber so hat sie es eben gesehen. Bei „Landschaft und Garten“ (1987) wandte sich Anna Heindl vom Inneren dem zu, was um einen herum passiert. Eine Auseinandersetzng, die, wie übrigens fast alles was Anna Heindl macht, einigen Witz aufbot: Da gab es den persiflierten Gartenzaun als Symbol lächerlicher Hagestolze ebenso wie eine Ironisierung sämtlicher Grenzziehungsversuche, auch und gerade jener Grenzen, die man um sich selber zieht.
Und jetzt: Ohren und Tränen. Wie alle ihre Themen hat sich Heindl auch dieses nicht gesucht. Sie hat sich vielmehr von ihm finden lassen. Der Arbeitsvorgang beginnt bei ihr mit Zeichnungen verschiedenster Art. Wenn sich aus den Zeichnungen dann der Motivkern herauskristallisiert, kommt es zu Aquarellen, die dann bereits die genaue Vorlage für die Schmuckstücke darstellen. Nach ersten Modellen in Messing oder Kupfer werden die Schmuckstücke in Silber oder in Gold angefertigt, jedes Stück ein Einzelstück. Gold und Silber werden weniger ihres Wertes als ihrer Schönheit und guten Verarbeitbarkeit wegen gewählt; bei den Steinen ist die Formgebung oft aufwendiger als das Material selbst, die Farbe auf jeden Fall wichtiger als der Wert. Kostbar darf Heindls Schmuck wohl sein, eine gewisse Grenze soll dabei allerdings nicht überschritten werden, denn „dann liegt er nur noch im Safe. Ich möchte natürlich, daß der Schmuck getragen wird“.
In dieser Möglichkeit des öffentlichen Zeigens liegt für Anna Heindl der eigentliche Reiz des Schmucks. Die Einsamkeit des Plastikers, „dessen Werk oft in dem Ram stehenbleibt, für den es geschaffen wurde“, kann so vermiden werden. Ihre Schmuckstücke sollen zwischen Luxus und Bedeutung, zwischen Sinnlichkeit und Aussage, zwischen Zeichen und Schmuck oszillieren. Ebenso wichtig wie zu wissen, daß sich in manchen von Heindls Schmuckstücken Einflüssen zeitgenössischer Architektur und Plasti aufspüren lassen, ist, daß sie von schönen Frauen getragen werden. Ob e sich um das Ohr von Ray Charles handelt, um die Rückenansicht einer sich bückenden Frau oder um einen toskanischen Park, spielt dabei eine bedeutende, aber keine entscheidende Rolle.“Die Sinnlichkeit soll herüberkommen“, sagt Heindl. Und dazu bedarf der Schmuck der Trägerin. Wer Augen hat, eine Träne zu weinen, stecke sich eine an. Wer Ohren hat, zu hören, hänge sich eines um!
– Armin Thurnher –
Die Schmuckobjekte der Anna Heindl
Zur Austellung
Der moderne Schmuck hat neben der großangelegten industriellen Produktion als mehr oder weniger aufwendige Edelsteinfassungen einerseits den Charakter eines soliden oder ambitionierten Kunsthandwerks beibehalten oder dringt auf der anderen Seite in den Bereich der bildenden Kunst ein, da er eigenständige skulpturale oder plastische Gebilde schafft. Gerade in Österreich hat sich eine größere Anzahl profilierter Schmuckkünstler zu neuen Wegen innerhalb des letzten Bereiches entschlossen. „Schmuck als Kunst“ war der Titel einer Ausstellung, die die Neue Galerie den Arbeiten von Werner Schmeiser und seinen Schülern gewidmet hat. Die Ausstellung der Arbeitn Anna Heindls ist eine reine Personalausstellung, die das Schaffen der Künstlerin würdigt und Arbeien der letzten eineinhalb Jahre zeigt. Es versteht sich, daß beide Ausstellungen nur einen Teilaspekt des heutigen Kunstschaffens auf dem Schmuckgebiet darstellen. In ihnen werden Leistungen von Einzelpersönlichkeiten gewürdigt und anhand dieser beispielhaften Aufzeigung die Möglichkeiten von Schmuck als Kunst demonstriert. Schmuck als Kunst meint, daß diese Schmuckobjekte aus der Materialfetischierung und insbesondere der der Eelsteine entbunden ist und das lastende Erbe des historischen Schmucks überwunden wurde. Ebenso sind die Grenzen und Fesselungen des Kunsthandwerks durch diese Künstler überwunden worden, weil der prägende Normenkanon handwerklicher Methoden und Traditionen aufgegeben wurde, um die Freiheit zu einem unvoreingenommenen schöpferischen Gestalten ohne Zunftregeln zu gewinnen. Von dieser Grundlage aus ist das Ziel nicht die Herstellung von Schmuckstücken im überkommenen oder handwerklichen Sinn, sondern von eigenständigen Skulpturen oder Plastiken, die von ihrer Qualität, Größe und Adaption her als Schmuck getragen werden können. Der Schmuckkünstler dieses Zuschnitts schafft bildhauerische Objekte, setzt sich mit den von ihm gewählten Motiven seiner Lebenswelt auseinander, und seine Hervorbringungen sind künstlerische Gestaltungen mit einem Eigenwert, die durch ihre Tragbarkeit als Schmuck verwendbar sind. Um diese Sicht abzurunden, ist es notwendig, auch über das Material zu sprechen. Diese Schmuckobjekte sind nicht mehr an die klassischen Materialien des Schmucks und des Kunsthandwerks gebunden. Weder Gold und Edelmetalle, noch Edel- und Halbedelsteine sind für ihn notwendiger Ausgangspunkt. Seit dem italienischen Futurismus ist jedes Material für die Skulptur kunstwürdig. Längst gilt dies auch für den Schmuck. Alle Metalle bis zum rostenden Eisen, alle Steine, bis hin zu Plastikmaterial und Glas, Wellkarton, Kohlebrocken und dergleichen, Federn, bunte Fäden werden im Schmuck verwendet. Der Wert des Schmucks liegt nicht im teuren Material, das verarbeitet wurde, sondern in der künstlerischen Form, in die die verschiedenen verwendeten Materialien gebracht werden, die an sich wertlos sein können. Disere Schmuck ist nicht Geldanlage (wie es auch der Brillantschmuck nicht sein kann, wie es die letzten Jahre so deutlich unterstrichen haben), sondern eine ursprüngliche Freude an den ästhetischen Formen der eigenen Zeit, die als Kusnt empfunden und als schmückendes Objekt getragen werden.
Anna Heindls Kunstbegriff
Für Anna Heindl sind in der Materialwahl nicht Extrempositionen und das Auslösen von Schocks bestimmend, sie verwendet Gold, Silber, aber überwiegend setzt sie Email ein, verwendet Steine. Sie wendet differenzierte und auch althergebrachte Methoden in der Erstellung ihrer Schmuckobjekte an. Aber es ist nicht der Glanz des Materials, mit dem sie bestechen will, im Gegenteil, wir erkennen in ihren Werken eine sensible Zurückhaltung, indem sie das Email matt schleift, das verwendete Silber mattiert oder schwärzt, um ihren Werken den beiläufigen Glanz der Oberfläche zu nehmen. Heindl verwendet oft kombinierte Materialien, Gold und Silber, verschiedenfarbiges Email mit Gold oder Silber, Email mit hinzugefügten Edel- oder Halbedelsteinen.
Einen wesentlichen Bereich im Schaffen Anna Heindls nehmen die menschliche Figur oder der menschliche Kopf ein: Liegende, vorgebeugt Stehende, gehende Figuren sind ihr Thema, Köpfe im Dreiviertelprofil, Torsi. Die gewählten abstrahierten Formen werden mit mehrfarbigem Email ausgegossen. Dieses Email kann geometrisch Formen annehmen, wie eine Abfolge von Dreiecksformen, Streifmotive in kontrastierenden Farben, oder pflanzliche Motive wie Blattformen, die sie in die Köpfe und Figuren als eine weitere Gestaltungsschicht einbringt.
Wenn sie alte Handwerkstechniken verwendet, geschicht dies in neuen zeitgemäßen Formen. Ein gewölbtes Silberblech als einseitiges Ohrgehänge wird durch aufgeschweißte Golddreiecke geschmückt. Die handwerkliche Methode ist altbekannt, man erhitzt das Silber, das einen niedrigeren Schmelzpunkt als Gold besitzt, soweit, daß das aufgelegte Gold in die Silberunterlage integriert wird. Die alte Emailtechnik wird durch das Mattschleifen und durch den Ausschluß des Zufalls und des Reizes der glänzenden Oberfläche zu einer methodischen und kontrollierbaren Produktionstechnik entwickelt. Das Einbringen von Steinen in diese Emailobjekte entspricht der alten Goldschmiedtechnik in Form von geschlossenen Fassungen, die sie anstatt der heute üblichen Krappenfassung bevorzugt, hat aber vorwiegend gegenständliche Bezüge, wie zum Beispiel die Verwendung spitzovaler Steine (Navetteschliff) als Mundform, Kopfform, Haare usw.
Heindl schafft ihre Schmuckobjekte mit Schmuckträgern oder mit anderen Worten, sie schafft aus Holz oder Gips farbige Postamente, auf die der Schmuck wie eine Skulptur auf den Sockel aufgesetzt wird. Diese, zirka 15-18 cm hoch, unterstreichen die Bedeutung des Schmuckstücks als Skulptur auf der einen Seite und lassen andererseits aus der Verbindung eine Gestalt höherer Ordnung entstehen: die Postamente erfahren einen Gestaltwandel zur menschlichen Figur, wenn ihnen das Schmuckobjekt als Kopf aufgesetzt wird.
Die Gestaltenwelt der Anna Heindl
Die menschliche Figur, vor allem die weibliche, ist eines der Themen von Anna Heindl. Sie vereinfacht und reduziert die Formen des Umrisses zu welligen Linien, der zarte Kontru aus Gold oder Silber umschließt die Beine, den Leib, ohne Füße, Kopf oder Arme zu bilden. Das dreifarbige Email wird in dreieckförmige Zellen gegossen, ihre Differenzierung in Größe und Richtung lassen spielerisch die Assoziation der Schlange zu. Ein ovaler Feueropal nimmt die Stelle des (kleinen) Kopfes ein, der künstliche Rubin darüber repräsentiert das schmückende Haar. Oder sie gestaltet einen liegenden Torso, dessen Anschwung Schenkel und Hüfte darstellt, dann zu einer Taillenform zurücksinkt und sich wieder zum Schulterteil hinaufwölbt und nach unten zu in einem Armansatz endet. In schwarzem oder lichtgrünem Email ausgegossen wird dieses durch Metallspiralen belebt. Diese Belebung hat aber eine zweite, hintergründige Bedeutung, denn man geht wohl nicht fehl in der Annahme, wenn man in ihnen die Andeutung der Brust, des Nabels, der Scham und des Gesäßes beschreibt. Das einfarbige Email wird so durch mehrdeutige Jugendstilreminiszenzen belebt. Zugleich werden die Gestalten durch die einzeln gefaßten abstehenden Edelsteine, hellblaue Edeltopase, umspielt, in Bewegung versetzt, belebt. Strenger ist die Form des Torsos: die Gestalt in einem starken Kontrapost gegeben zeigt sich uns von den Schenkeln bis zur Schulter, die herausgedrückte Hüfte durch das nicht gezeigte Standmotiv, der sich nach oben verbreiternde Oberkörper mit dem einsinkenden Mittelteil geben trotz des eckig umbrechenden Konturs überzeugend einen weiblichen Torso wider. Das abstrakte Gegeneinanderspiel von rosa und grünem Email ist jedoch nicht frei von gegenständlichen Anspielungen, wenn man genauer hinzuschauen vermag. Fast vasenhaft streng sind ihre Köpfe, wie die vrangehenden Stücke als Broschen ausgebildet. Der nach links gewendete Profilkopf ist im Dreiviertelprofil gezeigt, weist klar die Form des Halses und die Linie vom Kinn bis zur Stirn auf. Wie der Hals endet auch der Schädel in einer Geraden. Der Hinterkopf, die Rückseite, ist schräg nach unten geführt. In dem einen Stück unterstreicht Heindl den Gesichtsteil, indem sie die ausschwingende Kontur vom Hals zur Kinn- und Stirnlinie als Metallsteg spiegelbildlich als Gegenseite wiederholt. Abstehend gefaßte Steine sind als Haare zu lesen. Dieses Motiv hat Heindl in immer wechselnden Emailformen ausgeführt, in diesem Fall in einem fast sienesischen Streifenmotiv in Schwarz-Weiß. Andere zeigen ein Schwarz, das durch Philodendronblätter oder Blätter in Lanzettform belebt wird, und manchmal gibt sie den Mund durch einen eingesetzten Rubin wieder. Fast hufeisenförmig ist eine Brosche, die beidseitig spitz zuläuft und in roten Dreiecken endet. Durch das eingebrachte Email mit dem Philodendronmotiv wirkt die Gesamtform wie ausgeschnitten aus einem Stoffmuster. Rechts ist ein runder Amethyst angesetzt. Plötzlich sieht man die Brosche aber anders. Sie wird zu einer vorgebeugt dastehenden Frau mit roten Schuhen, der seitlich erscheinende Edelstahl ist als Kopf zu lesen. So spielt Heindl in einem mehrfachen Bedeutungsbereich: zwischen dekorativer Form einem einfachen und doch überraschenden Standmotiv und immer mit einem Schuß Erotik und einer Prise Oronie. Diese verstärken sich noch in einem weiteren Werk, das wiederum einen Frauenkörper darstellt. Die spitz auslaufende Form verdickt sich rasch, gewinnt Körper im kreisenden Schwung der beiden Konturenlinien. Im strahlenden Blau erscheint uns so der Unterkörper einer Frau, der umbrechend in Gold sich nach oben in drei auskragenden Zacken fortsetzt: Oberkörper und Arme. Das Kaffeebohnenmotiv im Blau, säuberlich in Licht- und Schattenteil, erscheint fünfmal und meint doch immer das Eine, nämlich Sex.
Aus dem Konstruktivismus heraus entwickelt Heindl einseitige Ohrengehänge, die gehende oder laufende Männer in Bandform darstellen oder Trapezformen, die sie wölbt, auf diese Golddreiecke schweißt oder Rechtecke. Sie verwendet das mattierte oder das geschwärzt Silber und versteht es meisterhaft, diese alten Techniken in ganz neuen Formen erscheinen zu lassen.
In letzter Zeit schuf Anna Heindl Bracelets und Colliers aus einer Art Eichelform. Das Collier zeigt die geschwärzte Eichelbecher aus denen kräftige gewölbte und spitz zulaufende Goldformen wachsen, deren bogige Gerichtetheit mit der Eichel nichts mehr zu tun hat, einen tropischen Charakter gewinnt udn fas an einen gebogenen Vogelschnabel erinnert. In einer alten Technik setzt Heindl von rückwärts in die Eichelbecher kleine Perlen ein, die beweglich verbleiben. Der matte Glanz des Goldes kontrastiert wirkungsvoll mit dem geschwärzten Silber und dem milden Glanz der Vielzahl von eingelegten Perlen. Strenger ist das dazugehörige Bracelet ausgebildet, dessen gereihte Walzenformen in Gold an beiden Enden mit schwarzen perlenbesetzten Bechern bedeckt sind, die nun das asymmetrische Motiv aufgenommen haben.
In der Folge entstanden noch mehrere Colliers. So das Schlangencollier mit den sich windenden Schlagen, mit ihren dicken aus geschwärztem Silber gefertigten Leibern, die mit Goldstreifen belegt sind, während die Köpfe aus Amethysten gebildet werden. Wie Blätter, die sie verbergen, sind die drei bis fünf grünen Olivine als Zwischenglieder eingefügt. Die Künstlerin versteht es meisterhaft, die charakteristische Bewegung des Schlangenleibs mit ihrem stillen Gleiten und der davon abgelesenen Bedrohung mit Hilfe dieser edlen Materialien darzustellen.
Rosenquarze setzt sie in geschwärzte schiffchenartige Formen ein, die sie zu einem Collier vereinigt, das wirkungsvoll den zarten Glanz der Steine erhöht und zugleich in einer steten Formvariation in der Abfolge der einzelnen Teile belebt wird.
In letzter Zeit gestaltet Anna Heindl ganz strenge Formen. Eine zulaufende Form aus Gold mit drei vertikal aufgesetzten und in Gold gefaßten Olivinen erweist sich als Allee, als Abbildung eines Straßenmotivs. Oder ebenfalls aus Silber gebildet sehen wir eine Kurve mit drei Bäumen in einer strengen überzeugenden Form.
Anna Heindl ist auf einem guten Weg. Ihr reifes handwerkliches Können verbindet sich mit immer neuen Motiven und formalen Ideen, in sich verändernden und überraschenden Materialzusammenstellungen mit unterschiedlichen Wirklichkeitsbezügen. In ihr lebt eine Sinnlichkeit und Sensibilität, ein heiteres Spiel mit dem Eros und letztlich immer eine Auseinandersetzung mit dem Gegenständlichen. Sehr oft empfindet sich Anna Heindl als dieser Gegenstand selbst. Sie stellt sich uns dar als Gestalt, in ihren verweisenden Anspielungen, mit den überraschenden Motiven, und man kann so weit gehen, auch die zackigen aufstehenden Haarbüschel ihrer Kopfbroschen mit ihrer Stehfrisur in Verbindung zu sehen, die sie in verschiedenen Farben trägt. In dieser Vielgestaltigkeit und schöpferischen Vielfalt erweist sich Anna Heindl als eine der wichtigsten österreichischen Schmuckkünstler, die dem Schmuck als Kunst wesentliche Impulse verleiht.
– Wilfried Skreiner –
Zur Schmuckkunst Anna Heindls
Aus dem sonnenhaften Gold und dem mondbleichen Silber sind Anna Heindls Kunstwerke gefertigt, die als Colliers, Ohrgehänge und Broschen den Träger schmücken. Doch wie die Einzelstücke eines Schatzes präsentieren sie sich autonom als Gleichnisse des Lebend und des Todes. Dann sehen wir sie auf korrespondierenden Sockeln, unantastbar in die auratische Nische gerückt, unter Verschluß, oder sie erzählen, hingelagert in der Verdoppelung, von inneren Zuständen.
Dem Metall gesellen sich Edelsteine zu. Grpne Olivine, Rosenquarze, das lichte Blau der Edeltopase, Amethyste, einst Sinnbild der Demut, das (himmlische) Feuer des Rubins neben dem orangeglühenden Feueropal. Und Perlen. Sie galten als Frucht der Vereinigung von himmlischen Licht und irdischem Wasser.
Im Sonnencollier Anna Heindls sind in alter Technik kleine Perlen vollbeweglich in den Kranz der halbkreisförmigen Strahlen-Scheiben eingebaut – das mytisch-symbolische Kugelrollen als Gleichnis des Sonnenlaufs. Ein anderes Bild für die Reise und für das Leben bedeuten die ssilbergeschwärzten Hohlformen, die als Schiffe im Kreis segeln (den Hals des Trägers umsegeln), martialisch wie eine Phalanx sich zum abwehrenden Ring zusammenschließen. Die Schnlangen sind die uralten Schatzhüter. Zwischen dem Dschungelgestrüpp der Olivine schlängeln sich lautlos die gebänderten Leiber, todbringend und im Besitz des gheimen Wissens. Gekreuzte Schwerter verbinden sich zur Kette. Sie bergen trotzdende Kräfte in der schlanken filigranen Form, beziehungsvoll zu Feuer, Blitz und – Sonne, die noch einmal in den strahlenden, fibelartigen Schulterbuckeln wie auf spätantiken Herrscherbildnissen suggeriert wird. Jenseits von Afrika. Schilde, als geschwungen Hohlkörper oder aus mehrfachen, fernen Kreuzformen entwickelt, sind die Ohrgehänge Anna Heindls. Sie treten immer nur einzeln auf als trotzende Zeichen für Unverletzlichkeit und Sicherheit. Auf den Schildergrund legen sich flache Streumuster, Wellen, sprachlose Kürzel und das zeitentbundene Motiv der Spirale, Sinnbild des sich entfaltenden Lebens.
Für Dante sind die Wege ins Jenseits einer Spirale vergleichbar. Anna Heindls sich perspektivisch verkürzendes Straßenstück ist mit Spiralen bedeckt. An seinem Ende ragen drei Alleebäume auf: die immergrünen Zypressen des Todes und des ewigen Lebens. Ein anderes, jruviges, Wegstück, dem kurzen Abschnitt einer Spirale vergleichbar, begleiten sie Bäume des violetten Amethystes – die Farbe der Trauer.
In den lichtgrünen und schwarzen gelagerten Frauenkörpern, deren Umrisse zur geschwungenen Reduktionsform stilisiert sind, weisen die eingebrachten Spiralen auf zusammengerolltes In-sich-Ruhen, Kontemplation und stilles Sein hin, aber nach außen stoßen die wachsamen Strahlen der Steine, wie Radarschirme gefahranzeigend an der Oberfläche aufgesetzt. Zustandsschilderungen Anna Heindls fließen in die Köpfe und Frauenkörper ein, Ruhe, die verteidigt wird. Erregtheit und Aggression verwandeln ein anders Mal die weibliche Figur zum Schlangenkörper. Eisbergen gleich zergliedern die spitzen Zacken der Email-Dreiecksformen den Leib. Aufgestaute Energie zurkuliert eingesperrt im Panzer der geschlossenen Haut konzentriert sich im roten Kopf. Feuer und Zerstörung, Feuer und Eros. Vaginaförmige Kaffeegbohnenmotive schweben auf blauem Grund – Unendlichkeitsmetapher und Symbol der Sehnsucht, ambivalentes Blau als die Farbe der Beständigkeit, aber auch der Trauer, des Unheils. Diesem blauen weiblichen Körper in Kauerhaltung ist die Krone als Herrschersymbol und Hoheitszeichen aufgesetzt. Ausdruck von Wprde und Stolz und Freiheit. Ein anderer, der vorgebeugte Frauenkörper mit den Philodendronblättern vereinfacht sich zum optimistischen, hufeisenförmigen Glückszeichen – ein lebensvoller, sinnlicher Magnet, anziehend und abstoßend in einem.
– Gerti Draxler –
Techno-Caverne, bewimpertes Organ – zu Anna Heindls neuen Arbeiten
I. Farbkörper, gleissend
Sie haben ihr Licht von Innen her, sagt man, diese edlen Steine, die beweisen, dass das Erdinnere nicht einfach nur ewige Finsternis sein kann. Deshalb erwählt man diese proto-elektrischen Leuchten als Schmuck, kosmetisch den Kosmos und dessen Leuchten spiegelnd. Die berühmte Tabula Smaragdina der Philosophen, auf der Brust des Aron, zeigt die Steine ins System der Weisheit gebracht, jeder eine Substanz, und jede Substanz eine unzerstörbare Erkenntnis. In dieser Tabula finden sich die Steine fein ins Geviert eingesetzt, welches jeweils einen Schrein für einen Stein bildet, zugleich für seine Farbe, sein Licht oder sein Feuer. Die moderne und zeitgenössische Kunst isoliert auf nicht unähnliche Weise die sublime Wirkung der Farbe als Frequenz des Lichtes, man denke an die Farbfeldmalerei von Barnett Newman und Mark Rothko. Diese Künstler machten sich zur Aufgabe, das Farbfeld von Innen her zum Leuchten zu bringen. Es soll strahlen wie ein Stein der Tabula. Donald Judd ging dazu über, die Farbe zu rahmen, ihr wieder ein Kästchen oder einen Schrein zu geben, aus dem sie hervorleuchten und so zum Farbraum werden kann. Ins Atmosphärische erweitert wurde die Idee des Farbraums durch James Turrell, der in Ganzfeld piece oder in den leuchtenden Ecken dem Rätsel der Farbe auf der Spur bleibt. Turrell setzt entweder kompliziert eingerichtete Lichtprojektionen ein oder, das dann die absolute Steigerung, verwendet das Blau des Himmels selbst in seinen sky spaces, welche Projektreihe er mit seinem monumentalen Projekt Roden Crater bei Flagstaff, Arizona gekrönt hat. Anna Heindl schließt in ihren neuen Arbeiten an diese Linie an und interpretiert sie im kleinen Format ihres Schmucks. Die präzise durchdachte Serie „Farbkörper, gleissend“ deutet die Fassung eines Steines architektonisch, als Kasten oder als maßstäblich reduziertes Bauwerk, in welchem die Steine wie schwebend ruhen. Die nach Innen mit poliertem Stahl ausgekleideten Wände halten ausreichend Abstand zu den eingefassten Steinen, so dass diese sich in den spiegelnden Flächen reflektieren und ihr farbiges Licht räumlich potenzieren. Die Steine leuchten nicht nur, sie gleißen in rätselhaft in die Tiefe der spiegelnden Fläche geisternden Spots und Sparks. Im Inneren des Farbraumes scheint die begrenzende Fassung selbst eine Tiefe zu besitzen, die Grenze oder Begrenzung also zurückzuweichen oder sich aufzulösen. Stein und Fassung treten zueinander in eine Beziehung, die ebenso gegenseitige Definition wie echoende Frage sein kann. Der Stein befindet sich wieder in einem Tiefenraum, diesmal in einer Techno-Caverne von virtueller 3D Wirkung. Es gelingt Anna Heindl, die Wahrnehmung des farbigen Lichts, die im Stein geronnen zu sein scheint, in einer aufwendigen high-tech Installation durchaus ebenbürtigen Weise zu steigern. Die Farbkörper selbst kommen in dieser Serie als jene Variationen vor, denen man die akkumulierte Erfahrung Anna Heindls mit Reduktion und Expression ansieht: es gibt den rechteckigen Kasten, in welchem die Aquamarine wie auf einem Luftkissen schweben, stieläugige Doppelkreise auf Ringen und die üppige Kette, in deren preziösen Kasserollen Anna Heindl die schönen Steine wie in einer Alchemistenküche angerichtet hat.
II. Blumen der Nacht
Die introvertierte Gruppe der „Farbkoerper, gleissend“ wird in Anna Heindls neuer Produktion parallelisiert von einer extrovertierten: während in „Farbkoerper, gleissend“ die klare und strenge Linie der Begrenzung die Steine von und nach Innen spiegelt, das Kristalline sublimierend und verstärkend, ereignet sich in den „Blumen der Nacht“ ein mit der Schwerkraft spielendes Fließen nach Außen. Wie Flimmerhärchen oder weiche, biegsame Strahlen sind um Steine und Perlchen feine kurze Edelstahlkettchen an die Fassung angebracht, die dem Schmuck etwas Organisches verleihen. Das Leuchten des Steines setzt sich fort in der Fülle der fallenden Linien, als sei er wie ein Auge zwischen Wimpern gebettet, wie ein köstlicher Körperteil geschützt vom Haar. Im Kontrast zur apollinischen Schönheit der „Farbkoerper, gleissend“ tut tritt in dieser Serie etwas Wildes, Erotisches, etwas Dionysisches zutage, als sei das Kleinod ein Lebendiges eigener Ordnung. Wie skulpturale Votive, der Fruchtbarkeit gewidmet, sind die Stein-Organe aufgerissen, von Ketten gesäumt, die nicht binden, sondern selbst flattern und fließen. An das Dekorum einer Schamhaarperücke, die in Japan, aus echtem Menschenhaar gefertigt, an geeigneter Stelle getragen die Anziehung erhöhen soll, wird in Anna Heindls „Blumen der Nacht“ – als welche diese Perücken bezeichnet werden – erinnert. Die Blüten sind Pudenda, die sich eben nicht zu schämen haben, wie Lou Andreas-Salomé schreibt: „Wir verwundern uns nicht einmal über die Tatsache, dass die lebendigen Pflanzen ihre Geschlechtswerkzeuge hinaufhalten in die Luft und Sonne, und direkt bestrebt sind, sie durch Geruch und Buntheit noch kenntlicher und die Augen fallend zu machen“.* Die Auszeichnung, die die Organe durch die Haar-Rahmung erhalten, ist formal in den Posamenten erhalten, besonders im Zierrat der Uniformtressen, Borten und Quasten, die aus Metalldrähten gewirkt werden. Der silberne, aber eher dunkle Schimmer der Kettensäume „Blumen der Nacht“ Anna Heindls zitieren indirekt diese würdevolle Dekorationslust, indem sie ihren ursprünglichen Grund offenbaren.
* Aus: Lou Andreas-Salome: Drei Briefe an einen Knaben, Jena 1917
– Elisabeth von Samsonow –
Leuchtend hintergründig – Schmuck von Anna Heindl
Spannende, gegensätzliche Arbeiten der bedeutenden österreichischen Schmuckkünstlerin Anna Heindl und ihres italienischen Kollegen Stefano Marchetti stellen Seite an Seite die Festwochenausstellung der Galerie Slavik. Beide sind der Galerie seit Jahren verbunden und präsentieren nun neue und neueste Schmuckobjekte aus ihren unterschiedlichen Perspektiven. Die Lust an der Oberfläche ist es, die bei allen formalen wie inhaltlichen Unterschieden eine Verbindung zwischen den Arbeiten der Künstlerin und des Künstlers schafft.
Anna Heindls Vorliebe für die Farbigkeit und den Glanz von Edelsteinen ist aus früheren Werkgruppen wohl bekannt. Jetzt stellt sie ihre „Farbkoerper, gleissend“ vor. Mit diesen Arbeiten begeht sie neues Terrain, indem sie der traditionellen Art des Edelsteinfunkelns eine zeitgemäße Auffassung von Lichtwirkung und Kostbarkeit entgegensetzt. Edelstahlgehäuse, deren Inneres auf Hochglanz poliert wird, nehmen die Steine oder Perlen auf. Wie bei Anna Heindls Ring „Breitseite, pink“ (2012) werden Turmaline in das Gehäuse versenkt und ihr farbiges Licht im polierten Edelstahl gespiegelt. Das Leuchten des Spiegelbildes ist der eigentliche Effekt und die künstlerische Aussage, es erfüllt den Gehäuseraum der Kleinskulpturen. Entfernt vom materiellen Wertgedanken ist es das nicht Greifbare, das bedeutungsvoll wird. Der Ring „Doppelturm, blau“ (2012) verbindet die Kühle des gebürsteten grauen Edelstahls mit der Wärme des Rotgolds, die beiden „Türme“ ragen zwei Scheinwerfern gleich aus dem Ringband und aus ihrer Öffnung strahlt das Blau der darin versenkten Paraiba-Turmaline. Wie Elisabeth von Samsonov in Anna Heindls Katalog treffend zitiert, wird das Leuchten der Edelsteine als Beweis betrachtet, dass im Erdinneren nicht nur ewige Finsternis herrschen kann. Tatsächlich war die Symbolkraft dieses inneren Leuchtens für viele Völker bedeutsam und oft war es nur Herrscherpersönlichkeiten vorbehalten, Edelsteine zu tragen und deren geheimnisvolle Kraft zu nutzen. Edelstahl ist für Anna Heindl eine Alternative zu Gold oder Silber, wenn auch schwieriger in der Verarbeitung. Das Zusammenwirken dieses konkreten, unverspielten Metalls mit dem immateriellen Lichtschein macht den Reiz der neuen Arbeiten aus, die Anna Heindl im Wirkungskreis von Brigitte Kowanz mit ihren Spiegel- und Lichtinstallationen oder von James Turrell sieht, der beispielsweise das Himmelslicht rahmt und zum nicht greifbaren Kunstwerk erhebt.
Ein weiterer neuer Werkkomplex Anna Heindls, der sich mit früheren Arbeiten zu assoziativen Geschichten rund um Bilder, Texte oder andere zufälligen Funde verbündet, sind die „Blumen der Nacht“. Er entwickelte sich aus der Berührung mit feinsten, dünnen Edelstahlketten, deren Weichheit und Geschmeidigkeit die Künstlerin an Haar erinnerte. Aus dieser Sinnlichkeit entstanden Ringe aus Edelstahl und Rotgold, mit Perlen oder Steinen besetzt, die von einem beweglichen Dickicht aus den zarten Ketten umgeben sind. „Blumen der Nacht“ ist eine charakteristisch poetische und bildhafte Bezeichnung für die in der japanischen Kultur gebrauchten Haarergänzungen für den Schambereich, die der Behaarung als Symbol der Weiblichkeit gelten.
– Claudia Lehner-Jobst –
Landschaft und Garten
Ein Ensemble von bunten Plastikutensilien bei Tony Cragg: eine Landschaft. Das Innere eines Motelzimmers bei Jim Jarmusch: eine Landschaft.
Der Teller mit der zur Rosenblüte zurechtgeschnittenen Karotte bei Kiang, dem „China Lokal”: eine Landschaft. Bücher über Gartenkunst auf dem Schreibtisch: eine Landschaft. Nackte Körper bei Eduard Weston: eine Landschaft, Autobahnen auf Stelzen: eine Landschaft. Ein Schmuckobjekt mit schwarzem Abhang und einem Plateau, auf dem ein Perlenhain steht, bei Anna Heindl: eine Landschaft.
Wer in fundamentalistischer Askese für eine eindeutige Trennlinie zwischen „echter“ Natur und „falscher“ Künstlichkeit kämpft und in der Natur nur „natürliche“ Harmonie und in der Natur nur „unberührte“ Wildnis gelten lässt, verzichtet auf etwas Wesentliches menschlicher Erfahrung: auf das Bewusstsein, dass zwischen Natur und Mensch nur fragile Balance-Verhältnisse möglich sind. Jede Landschaft ist ein „gefasster“ Ort, ein Versuch, Gefühlsimpulse in einem Spiegel zu sehen. Landschaft ist eine Bühne zur Entfaltung von Traumwelten. Es ist kein Verbrechen, auch in Zeiten des gesicherten Wissens um irreversible Zerstörung des Natürlichen, auf der Fähigkeit zu bestehen, im Blick auf Landschaft an Paradiese und Utopien zu denken. Große Gartenkunst ist nicht Verachtung des Natürlichen, sondern Versuch eines Psycho-Spiels zwischen Materie und Imagination. also: Austausch.
Anna Heindls neue Schmuckserie spielt mit solchen Pendelbewegungen der Phantasie. Es gibt Stücke, auf denen man formale Komponenten aus Landschaft und Garten buchstäblich wiederfinden kann: die Wegbiegungen und Schwünge barocker Gärten (die aber während der Arbeit zu Autolenkrädern werden können) oder sanfte Hügel mit Baumreihen. Dass aus den Bäumen dabei Edelsteine und Korallenrosen werden können, liegt ganz auf der Linie raffinierter Gartenkunst, die aus Bäumen geometrische Formen schnitt und aus Stein naturhafte Grazie meißelte. Die Freude an der Verwandlung ist essentieller Bestandteil jeder bewussten Begegnung mit der Natur.
In jedem Garten steckt etwas Brutales, weil das Manipulative besonders offenkundig wird (im “wilden“ Garten nicht minder). Man kann im Garten Schönheit nur um den Preis sehen, die Begrenzung des Gartens mitzudenken. Die geregelten Linien und die Zäune sind immer vorhanden, so wie der Vorhang, der dem Theaterbesucher nach jeder Aufführung deutlich sagt, den Theaterraum nie verlassen zu haben, wohin immer Sprache, Bilder und Gesten die Gefühle entführten.
Der Zaun ist das „Unangenehme“ am Garten, und deshalb kommen bei Anna Heindls Schmuck-Partien auch Zäune vor. Der mit den roten Rosen ist aus den Anfangs-Einstellungen des Films „Blue Velvet“. Der mit den Forsthaus-Latten ist der der Heimat. Bei wirklichen Zäunen ranken sich die Blumen unregelmäßig und somit mildernd, bei denen, die man nun als Schmuck tragen kann, bleibt das Zeichen der Abwehr deutlich, die Blumen sind ganz regelmäßig platziert. „Die müssen sitzen wie Soldaten“, meint Anna Heindl. Einmal schirmen sogar Patronen ab. Stop and Go. Irritation und Verführung. Da Schmuckstücke letztlich nicht als gefrorene Gedanken getragen werden, sondern mit dem Wunsch, bewundert und geliebt zu werden, ist die Möglichkeit zum Rollenspiel zwischen Trägerin und Objekt grenzenlos. Scheinbar grenzenlos, wie Gärten eben.
Anna Heindl hat als Schmuck-Künstlerin mit Gesichtsformen gespielt und mit Frauenkörpern, nun mit Landschaft und Gärten. Könnte sie auch Blumen machen, die man als Brosche anstecken kann? Die Antwort kommt nach leichtem Zögern: „Ja, aber nur Fleischfressende“.
– Wolfgang Kos –
Der Weltraum besteht nur noch aus Schrott. Desolate Space Shuttle gondeln ziellos durchs All, Raketen büßen ihre Power ein und versagen bei Start. Und die russische Raumfahrzentrale beschäftigt einen ganzen Stab an Psychologen, um Astronauten fit zu halten.
Der echten Weltraum ist nicht sehr so sexy wie in den sechziger Jahren und was der Cyber Space zu bieten hat, flimmert kalt und fahl aus dem Computer.
„Horizont 2“ sind Schmuck gewordene Sommernachtsträume, Sonnenaufgänge und Himmelsgestirne. Könnte man seinen Lieblingshimmel, mit kleinen bauchigen Wölkchen und diesem Glitzern, in einem Freeze Frame festhalten, dann würde der so aussehen wie Anna Heindls Colliers aus dicht geschlungenem Silberdraht, auf dem die Steine, eingefasst und eingewoben, ihr Sternenleben entwickeln. Zwischen diesen perlmutt-schimmernden Firmamenten und deren unschuldigen Himmelskörpern grinsen frech die „Fühler“ hervor. Die Fühler sind die Kobolde des Universums, mit kleinen Antennen und Katzenaugen,. Die Fühler-Ringe aus Palladium und Weißgold, mit Turmalinen besetzt sind die magischen Begleiter für die Spaziergänger auf ihrer Space Odyssey …
Vielleicht wollte Anna Heindl eines Tages ein bisschen aufräumen in ihrem Mikro-Kosmos, vielleicht wollte sie aber auch einfach ganz eigene Himmels-Körper schaffen: „Luftig“ ist eine Serie, die auf dem Computer entstanden ist und aus Drahtfiguren besteht: Tropfen, Kugeln, Kegel – aus einem feinen Netz und mit wertvollem Innenleben: Im „goldenen Käfig“ erinnern sich Mondsteine in Wolkenform an ihre Vergangenheit im Tiroler Zillertal. Turmaline schweben in einem Palladium/Weißgoldgehäuse wie das Schiff in der Flasche.
Die zarten Globus-Formen sind Ohrgehänge und erinnern an das Gradnetz der Erde.
Egal also, was im All passiert, Anna Heindl hat sich mit ihrem romantischen Planetarium ihren eigenen Welt(t-)raum erfüllt.